Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)Post by Andreas M. KirchwitzInteressanter finde ich ja eher die neuen Sichtweisen, dass z.B.
eine blinde, taube oder stumme Rolle nur noch von einer Person mit
diesen tatsächlichen Behinderungen gespielt werden soll. Am Ende
darf die Rolle einer vergewaltigten Frau in Zukunft nur noch eine
tatsächlich vergewaltigte Schauspielerin spielen...
Stumme Menschen gibt es so gut wie nicht, das dürfte weniger ein
Thema sein.
Über die Verteilung in der realen Welt habe ich mir nie Gedanken
gemacht (hatte keinen Grund dazu), jedoch gibt es meinem völlig
subjektiven Gefühl nach ausgerechnet stumme Figuren häufiger in
Filmen als blinde oder taube.
Das würde ja dann schwierig, passende Schauspieler zu finden...
Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)Es gibt allerdings blinde bzw. taube Menschen, die Schauspieler sind
und gerne solche Rollen spielen würden. Sofern sie das auch
angemessen gut können, ist es freilich diskriminierend, wenn ihnen
sehende bzw. hörende Personen vorgezogen werden, die sich die
Defizite dann erst mühsam anlernen müssen, um sie halbwegs plausibel
darstellen zu können.
Mein Verständnis nach dienten solche Forderungen nicht besseren
Chancen für entsprechende Schauspieler, sondern in dieser Hinsicht
betroffene Zuschauer (!) könnten sich herabgewürdigt fühlen, wenn
die schauspielerische Darstellung einer Behinderung nur ein Fake ist.
Ich unterstelle durchaus gute Absichten, wenn so was gefordert wird,
aber Filme sind doch nur eine Illusion, und am Ende ist es doch viel
wichtiger, was der Film für eine Message transportieren will.
Anders wäre es bei einer Dokumentation. Da ist es in der Regel nicht
nur unglaubwürdig, sondern ziemlich daneben, wenn beispielsweise ein
kerngesunder Mensch mit zwei intakten Beinen dem Zuschauer weismachen
wollte, wie das Leben als Einbeiniger sei. (Aber auch hier kann es
sinnvoll sein, Szenen nachzustellen mit Schauspielern, wenn es zum
Beispiel darum geht, die wirklich Betroffenen zu schützen.)
Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)Ich bin mir nicht sicher, ob es einen Pool an Schauspielerinnen mit
(deklarierter) Vergewaltigungserfahrung gibt, die speziell auf
solche Rollen warten.
Gänzlich absurd würden solche Forderungen, wenn es irgendwann hieße,
in Filmen müssten die Darstellungen tatsächlich echt sein, weil sich
sonst Zuschauer, die das real erlebt haben, nicht ernstgenommen fühlten.
Für mich ist das eigentlich der wesentliche Punkt eines Films,
dass eine gute Illusion geschaffen wird. Das zeichnet doch einen
guten Film aus, dass eben nicht alles real sein muss, sondern die
Kunst liegt darin, dass der Zuschauer bloß glaubt, es wäre real
bzw. könnte real sein.
Na ja, egal... ich bin vermutlich zu alt für die modernen Sichtweisen.
Grüße, Andreas