Post by Cornell BinderPost by Florian MaierPost by Cornell BinderPost by Florian MaierDas Problem ist, dass so ziemlich alles in der Story, was irgendwie mit
Orbitmechanik zu tun hat, falsch dargestellt wird.
Wenn es ein Film über Orbitalmechanik wäre, dann könnte man
den Ärger ja verstehen.
Ist es zu großen Teilen, annähernd der gesamte Plot basiert darauf. Der
Rest ist dann psychologisches Drama, und das war ziemlich gut gemacht,
weshalb ich den Film ja auch nicht verrissen habe.
Ja natürlich ist ein orbitalmechanisches Ereignis der
Auslöser für die nachfolgende Handlung, doch deswegen wird
noch lange kein Film über Orbital-Mechanik draus! Natürlich
darf man sich darüber ärgern, das das auslösende Element auf
irgendeiner Ebene doof ist.
[...]
Was sagt das jetzt eigentlich über den Realismus des rest-
lichen Filmes aus?
Du hast mich da etwas missverstanden, ich meinte nicht nur den Auslöser
der Situation, sondern auch die restliche Handlung des Films. Denn
soweit ich mich erinnere, und man möge mich da korrigieren, wenn ich
falschliege, besteht die zum größten Teil daraus, mit improvisierten
Mitteln im Weltraum von Punkt A zu Punkt B zu gelangen, und da sind wir
wieder mitten in der Orbitmechanik.
Wenn's tatsächlich nur der Auslöser am Anfang wäre, könnte ich
wesentlich leichter darüber hinwegschauen.
Post by Cornell BinderPost by Florian MaierPost by Cornell BinderDiese Nummer kann man bei fast jedem Film ziehen.
Nein.
Aber sicher doch. Das irritiert mich ja so an Deinem
Standpunkt, der auf mich den Eindruck vermittelt, das wir es
hier bei Gravitity eine besonders bemerkenswerte Ausnahme
haben würden.
Nahezu jeder Film braucht einen Aufhänger für das was danach
die Handlung bestimmt. Und nur sehr, sehr wenigen Filmen ist
es vergönnt dies elegant und schon umzusetzen, ohne das es
halt - qua Notwendigkeit - konstruiert ist. Wobei der
Zuschauer mit letzterem ja kein Problem hat, da er ja selber
weiß, das "Realismus" nur in wenigen Fällen interessante
Unterhaltung zuläßt.
Mal vom Missverständnis abgesehen, dass es mir eben nicht nur um den
Auslöser der Handlung geht, sondern auch um die restliche Handlung
selbst, ignorierst du hier auch den Unterschied zwischen
unwahrscheinlichen und unmöglichen Begebenheiten. Die ersteren sind sehr
viel leichter zu schlucken als die letzteren.
Post by Cornell BinderPost by Florian MaierMenschen, die manchmal unklug handeln oder Sachen missverstehen, kommen
aber in der Realität vor, falsche Orbitmechanik nicht.
Ich habe ja auch schon wieder einiges zu Gravity vergessen,
Was genau ist an der Orbit-Mechanik *falsch*?
(Unwahrscheinliche Nähe der Objekte ist für mich btw. kein
Fehler, sondern ein handlungs-technische Zugeständnis. Das
schicke ich mal gleich vorweg.)
Dann auch gleich vorweg: Die Nähe der Objekte ist nicht nur
unwahrscheinlich, sondern in der Realität tatsächlich unmöglich. Schon
allein deswegen, weil man in der Realität alles dafür tut, dass sich
diese Objekte nie so gefährlich nahekommen.
Desweiteren besitzen diese Objekte zwar ähnliche Orbit-Parameter,
befinden sich aber nicht im selben Orbit. Vom Orbit eines dieser Objekte
in den eines anderen zu gelangen würde ernsthafte Mengen Energie
benötigen, weit mehr als alle im Film gezeigten Provisorien zusammen.
Bei der Ausgangssituation sind wir uns ja schon einig.
Und dann noch der Klassiker, dass man in einem Erdorbit nicht zu
irgendeinem Objekt sogar im selben Orbit gelangt, einfach indem man
Schub in die Gegenrichtung erzeugt. Dieser Schub ändert nämlich
automatisch auch die eigene Bahn und entfernt einen damit aus der Zielbahn.
Post by Cornell BinderPost by Florian MaierPost by Cornell BinderDas ist jetzt natürlich keine Rechtfertigung, aber halt eine
der üblichen Kröten die man akzeptieren muss. Sonst sollte
man grundsätzlich nichts schauen, was keine Dokumentation
ist.
Es gibt genügend fiktionale Filme, die es schaffen, im Großen und Ganzen
realistisch zu sein.
Dann mal her mit den Beispielen. Vielleicht kann ich dann
besser nachvollziehen, warum Dich Gravity so wurmt. Danke.
(Ich frage auch deswegen, weil ich nicht einschätzen kann,
welche Größenordnung bei Dir "genügend" ausmacht. Ist das
ein Dutzend? Sind das Hunderte?)
Über welchen Zeitraum reden wir? Es kommen jedes Jahr sicherlich
hunderte Filme raus, die zumindest so realistisch sind, dass sie keine
unmöglichen Begebenheiten zeigen.
Aus der Hard-SF-Ecke habe ich ja bereits 3 davon genannt, die ich kenne.
Aber noch viel mehr Beispiele gibt es natürlich aus dem Nicht-SF-Bereich.
Davon ab würde ich nicht sagen, dass mich Gravity "so wurmt". Der Film
als Ganzes ist ja ganz ok, mich störte halt der deutlich erkennbare
Unrealismus in einem SF-Film, der versucht, sich als besonders
realistisch darzustellen.
Post by Cornell BinderPost by Florian MaierPost by Cornell BinderPost by Florian MaierDas Problem ist, dass der BS-Faktor bei Gravity eben nicht gering ist.
Was genau nimmst Du denn als Maßstab? Ich nehme die anderen
Filme mit vergleichbaren Setting der letzten Jahre und frage
mich verwundert worauf Du hinauswillst.
Welche Filme wären das?
Da mußt Du jetzt leider 10 Tage warten, bis ich Dir da eine
sinnvolle Liste zusammenstellen kann.
Kein Problem, eilt ja nicht. Es ist auch nicht zu erwarten, dass der
Thread in den nächsten Wochen hier verschütt geht.
Post by Cornell BinderPost by Florian MaierPost by Cornell BinderVielleicht nennst Du mir einfach mal ein paar Filme die mit
Weltraum-Realismus *deutlich* besser umgehen. Da scheine ich
viel verpaßt zu haben.
The Martian, Moon und Europa Report fallen mir auf Anhieb ein.
Was bitte ist an Moon realistisch? Das ist ein absolut
genialer Film, aber dem geht es doch nie nicht um Realismus.
Der Film thematisiert wunderbar ethische Fragen und
Konsequenz in einem tollen Setting? Aber Realismus? Wenn Du
hier einfach akzeptieren kannst, das der Großteil des Filmes
auf einem unrealistischen Setting basiert, verstehe ich
nicht, warum Du Dich so an Gravity aufhängst.
Ja, das Setting bei Moon ist sicherlich nicht besonders wahrscheinlich,
aber zumindest nicht unmöglich.
Post by Cornell BinderMoon bleibt mir jedenfalls nicht wegen "der ist toll, weil
da das mit dem Weltall ja so realistisch ist" in Erinnerung.
Mir auch nicht. Das ändert nichts daran, dass die dargestellten
raumfahrerischen Vorgänge so physikalisch möglich sind, im Gegensatz zu
denen in Gravity. Damit erfüllt er die Bedingung deiner Anfrage.
Post by Cornell BinderPost by Florian MaierDie mögen alle in Details irgendwo ein wenig danebengelangt haben, aber
die Grundpfeiler ihrer Plots basieren auf realistisch dargestellter, in
anderen Worten: grundsätzlich denkbarer und möglicher, Raumfahrt.
Im Detail? Sorry, aber hier machst Du es Dir sehr leicht
einfach nur um zu widersprechen.
Den Einwand verstehe ich nicht. Ich schrieb "im Detail", weil es mich
anders als von dir in einem früheren Posting vermutet nicht besonders
stört, wenn mal ein Detail übersehen wurde, das nicht sonderlich
realistisch ist. Wenn sich das durch den ganzen Film zieht, stört es
halt deutlich mehr.
Post by Cornell BinderPost by Florian MaierPost by Cornell BinderBei all diesen Diskussionen ist für mich immer spannend, die
Meßlatten herauszufinden mit denen gemessen wird und dann
daran zu zerbrechen, wie willkürlich diese angelegt werden.
Was ist willkürlich daran, den Film an seiner selbst angelegten
Messlatte von hohem Realismus zu messen?
Wie genau hast bestimmst Du diese selbstangelegt Messlatte?
Die Frage ist verdammt ernst gemeint, denn Du kannst den
Film ja auch nur zwangsläufig subjektiv interpretieren. Ich
frage mich ja schon, ob der Film überhaupt irgendeine
Meßlatte anlegen will.
Ich kann mich da nur wiederholen: Der Film wurde von vorne bis hinten
als super-realistisch vermarktet und es ist auch im Film selbst mehr als
deutlich zu bemerken, dass er realistisch wirken will. Deshalb finde ich
es nicht willkürlich, dass ich die Realismus-Messlatte anlege.
Post by Cornell BinderFalls Du darauf hinauswillst, ob der Film in sich schlüssig
ist, müßten wir mal kurz definieren, wo der Film den
festlegt welche Orbitalmechanik er für korrekt hält.
Nein, das müssten wir nicht. Denn es ist offensichtlich, dass der Film
zumindest vorgibt, sich an realer Physik zu orientieren. Aber auf eine
innere Schlüssigkeit wollte ich eh nicht hinaus.
Post by Cornell BinderPost by Florian MaierPost by Cornell BinderUnd trotzdem hat der Marsianer den riesigen Vorteiler einer
fantastischen Physik.
Wo kommt im Marsianer fantastische Physik vor?
Diese nette kleine Gerät, welches ihn mit Energie versorgt?
Mit Energie wird er hauptsächlich durch Solarzellen versorgt, nicht
allzu exotisch. Daneben benutzt er größtenteils nur als Heizung, aber
auch als zusätzliche Stromversorgung, noch eine Radionuklidbatterie.
Solche Teile werden seit den 70ern auf unbemannten Sonden verbaut, also
auch nicht gerade fantastisch. Gab's sonst noch eine Energieversorgung
(außer den Kartoffeln), die ich gerade vergesse?
Post by Cornell Binder(Wobei ich mich da jetzt mehr auf das Buch beziehe, das sich
da auch den Spaß draus macht, mit einem Augenzwinker das
aktuell ungelöste Problem einer adäquaten Energieversorgung
auf dem zukünftigen Mars einfach zu haben.)
Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass das Buch dem Leser
gegenüber augenzwinkern würde. Ich vermute, dass du da überinterpretierst.
Post by Cornell BinderIm Buch wird ja
sogar schön thematisiert wie man sich vor den Nachteilen zu
schützen habe, für einen physikalischen Prozess den wir so
in der Form gar nicht kennen. Phantastik. Die völlig okay
ist, da der Stoff sonst nicht vorran käme.
Ich bitte um Details, auf was du dich da beziehst.
Post by Cornell BinderPost by Florian MaierPost by Cornell BinderDenn der Film kann Probleme einfach
durch zukünftige Erkentnisse lösen. *Kunststück*
Könnte er vielleicht, tut er aber im Wesentlichen nicht. Schon gleich
garnicht mit neuer Physik.
Verzeih die despektierliche Frage: Hast Du das Buch gelesen?
Ja.